Ein traumatisierter Hund benötigt eine ganz besonders feinfühlige Behandlung und Begleitung zurück in den Alltag, denn diese Hunde befinden sich in einem körperlichen Notzustand und kämpfen um das psychische sowie physische Überleben. Dieses Thema berührt mich besonders, denn ich durfte bereits mehrere Hunde begleiten, wieder zurück in das Leben zu finden.
Traumatisierter Hund: Was ist ein Trauma?
Ein Trauma wird ausgelöst, wenn der Hund etwas erlebt oder beobachtet (ganz recht, auch beobachten führt zu einem Trauma, denn Hunde besitzen Spiegelneuronen), was eine außergewöhnliche Bedrohung darstellt, welche das nackte Überleben charakterisiert. Dieses Erlebnis löst intensive Flucht, Hilflosigkeit oder Entsetzen aus. Das Gefühl von Unvorhersehbarkeit, Unkontrollierbarkeit und das Ausgeliefertsein löst eine tiefe Verzweiflung aus. Ein Trauma hinterlässt emotionale Verletzungen, die mit ggf. körperlichen Symptomen begleitet werden.
Traumatisierter Hund Symptome
Traumata lösen eine ganze Reihe von Symptomen aus. Einigen Hunden sieht man sofort an, dass diese traumatisiert sind und bei anderen hingegen ist es deutlich schwerer, ein Trauma zu erkennen.
- Dein Hund will nicht Gassi gehen
- Dein Hund will nicht schlafen und/oder schreit im Schlaf
- Dein Hund zieht sich zurück
- Dein Hund ist apathisch
- Dein Hund setzt seine Sinne nicht mehr ein, z.B. ist taub oder schnüffelt nicht
- Dein Hund hat Angst
- Dein Hund frisst nicht
- Dein Hund entwickelt einen Kontrollwahn
- Dein Hund hat ständig oder öfter einen leeren Blick und reagiert dabei nicht auf deine Ansprache
- Dein Hund ist reizbar und hat regelrechte Wutausbrüche (von 0 auf 100)
- Dein Hund zeigt einen Emotionswechsel binnen weniger Sekunden
Wenn du nun ein paarmal genickt hast, bedeutet es nicht direkt, dass dein Hund traumatisiert ist. Diese Verhaltensweisen müssen immer im Kontext, d.h. situationsbezogen analysiert werden. Zudem spielen die Biografie und die zeitliche Abfolge dieser eine entscheidende Rolle. Wie schwer die Traumatisierung ist, hängt von vielen Faktoren ab, z.B. der Persönlichkeit des Hundes, dem Alter, der Genetik, der nachfolgenden Unterstützung der Bezugsperson, familiäre Bedingungen, die individuelle Bewertung des Erlebten oder Gesehenen und der persönlichen Bewältigungsstrategie.
Was im Hundekörper passiert, wenn ein Trauma stattfindet
Zunächst schauen wir uns den Hundekörper an, denn das Verhalten was wir sehen, hat im Körper seinen Ursprung. Es ist daher nur logisch, hier einen Blick drauf zu werfen, denn ohne diesen wäre eine Traumabehandlung gar nicht erst möglich
- Das Nervensystem
Es wacht ununterbrochen über die körperliche Sicherheit, ohne dass dies bewusst von den Hunden oder uns wahrgenommen wird. Je nach Situation wird einer der drei Äste des Nervus Vagus (ein Hirnnerv) aktiviert, welcher wiederum das Hundeverhalten auslöst:
• Entspannung (ventraler Parasympathikus)
• Anspannung (Sympathikus, auch bekannt als die 4 Fs, wobei es genau genommen 5Fs sind)
• Totstellen oder Ohnmachtszustand (dorsal Parasympathikus)
Bei einer Traumatisierung ist der dorsal Parasympathikus aktiv. Dieser führt zu Verhaltensweisen, die einer Notabschaltung oder einem Energiesparmodus von Körper und Geist gleichzustellen ist. Wir kennen dieses Verhalten von Reptilien, die sich in einer lebensbedrohlichen Situation einfach totstellen. Zugleich ist dieser Zustand wichtig, um sich vor psychischen und physischen Schmerzen zu schützen und somit das Überleben zu sichern. Einem Hund in diesem Zustand ist es weder möglich zu lernen, noch ist es ihm möglich, sich dem Alltag anzupassen. - Gehirn – Denkzentrum vs. Emotionszentrum
Bei einem ausgeglichenen Hund ist das Denkzentrum, welches für Wahrnehmung, Erkennen, Verstehen und logisches Denken zuständig ist, aktiv. Das Emotionszentrum (limbisches System), welches vor allem Angst- und Aggressionsverhalten steuert, schaltet sich erst dann ein, wenn die Situation es fordert. Diese beiden Zentren arbeiten (sehr grob gesagt) gegeneinander. Du kennst dies im Alltag bestimmt auch. Bist du gestresst, ängstlich oder wütend, so ist klares Denken kaum noch möglich und wir handeln aus einer Emotion heraus, was im Nachhinein meist sehr unklug war.
Bei einem traumatisierten Hund ist das Emotionszentrum übersensibilisiert, d.h. das Denkzentrum kann durch die starke Überlastung des Traumas (Angst) nicht mehr angesteuert werden. Eingehende Sinneseindrücke werden somit nicht mehr analysiert und bewertet, sondern direkt als gefährlich eingestuft. Das Gehirn funktioniert also nicht mehr so, wie es eigentlich sollte. Das wiederum befeuert den inneren Stresslevel und Unmengen an Stresshormonen werden freigesetzt. - Hormonhaushalt
Durch den aktivierten Überlebensmodus des Nervensystems und die Blockaden im Gehirn, wird das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, welches gegensätzlich dem Wohlbefinden, der Entspannung und der Erholung dient. Durch diesen Dauerstress wird auch noch die körpereigene Rückkopplung gestört d.h. es wird immer und immer weiter Cortisol ausgeschüttet, es gibt keinen Endpunkt mehr. Der Körper reagiert mir Stresssymptomen wie z.B. hoher Puls, hoher Blutdruck und Zittern. Diese Symptome sind den Angstsymptomen sehr ähnlich und da der Körper ein sogenanntes Körpergedächtnis hat, kann aus Stress ganz schnell wieder Angst werden.
Du siehst, wie wichtig das körperliche Gleichgewicht bei einer Traumatherapie ist.
Trauma beim Hund: Therapieplan
Bei der Traumatherapie stehen neben dem körperlichen Gleichgewicht der Bindungsaufbau, die Sicherheit und das Stressmanagement an oberster Stelle. Ohne diese, keine Heilung. Auch der Einsatz von ätherischen Ölen hat sich wunderbar bewährt, denn diese setzen im limbischen System an – das Emotionszentrum, welches ohnehin sehr aktiv ist. Des Weiteren wird die Therapie in drei Schritte unterteilt
- Stabilisierungsphase
- Traumabearbeitungsphase
- Integrationsphase
Vor allem für die Stabilisierungsphase sollte sich ausreichend Zeit genommen werden, denn dies ist die Basis für die Rückkehr in das Leben. Was du als Halter:in für deinen Hund in dieser Phase tun kannst, werde ich dir im zweiten Teil des Artikels erklären. Auch können Anpassungsstörungen bis hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) auftreten, welche entsprechen mitbehandelt werden sollten. Ein Verhaltenstierarzt (Tierarzt mit Zusatz Verhaltenstherapie) sollte ebenfalls mit hinzugezogen werden. Hier kannst du schauen, ob einer in deiner Nähe ist Suche Verhaltenstierärzte – GTVMT
Beispiel aus meinem Arbeitsalltag
Mein damaliger Trauma Patient namens Charly, benötigte lange 6 Monate, bevor er wieder an seiner Umwelt teilnahm. Er wurde damals von Menschen schwer misshandelt und viele lange Narben zeichneten sein Körper. Bei seinen neuen Besitzern lag er den ganzen Tag apathisch auf seinem Bett, sein Blick war leer und er demnach auch nicht anwesend. Die Halter hielten trotz einer emotionalen Talfahrt durch und wir tauschten uns alle 2 Wochen aus. Nach sechs Monaten hatten wir es geschafft, Charly zu stabilisieren, d.h. das körperliche Gleichgewicht wieder herzustellen. Das war für mich persönlich ein sehr emotionaler Moment, welcher mich bis heute und sicherlich für den Rest meiner Arbeitstage begleiten wird.
Manchmal ist das Leben einfach das Leben, Traumata können wir nie zu 100% verhindern. Doch wir können so viel für unsere Hunde tun, um solche Geschehnisse zusammen zu bewältigen.
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