Traumatisierter Hund Teil 2 – Seevetal

Wie versprochen, widmen wir uns in diesem Artikel der Stabilisierungsphase, der ersten und wichtigsten Phase während der Traumatherapie für Hunde. Ich erkläre dir worauf es genau ankommt und was du als Halter:in für deinen traumatisierten Hund tun kannst.

Wie du (hoffentlich) in dem ersten Teil schon gelesen hast, befindet sich der Körper eines traumatisierten Hundes in einem Überlebensmodus. In dieser Phase ist Hundetraining meist gar nicht möglich und tatsächlich auch nicht nötig. Denn in der Stabilisierungsphase wird ausschließlich an dem körperlichen Gleichgewicht gearbeitet, um Nervensystem, Gehirn und Hormonhaushalt wieder in die richtige Bahn zu leiten. Nur ein „rund laufender“ Körper kann den Überlebensmodus verlassen, wieder am Alltag teilnehmen und lernen. Auch wenn der Körper bei jedem Hund gleich funktioniert, so ist der Weg in das Gleichgewicht bei jedem Hund anders. Denn jeder Hund hat eine individuelle Geschichte und demnach auch individuelle Themen. Ich möchte dir trotzdem einige Tipps an die Hand geben, wie du deinen Hund unterstützen kannst, wieder in das Gleichgewicht zu kommen.

Trauma Hund lösen: 10 Punkte der Stabilisierungsphase

Egal wie alt dein traumatisierter Hund ist, er wird behandelt wie ein Welpe. Denn Welpen können sich nicht lange konzentrieren, machen das, was sie für richtig halten und müssen einfach noch sehr viel lernen. Zudem nimmst du dir und deinem Hund sehr viel Druck. Auch muss dir bewusst sein: ein Trauma verbirgt die wahre Persönlichkeit deines Hundes. Wir wissen NIE, wie sich ein Hund verhalten wird, wenn er aus seiner Blase zurück ins Leben kommt. Daher besonders Vorsicht, wenn Kinder, andere Haustiere oder ältere Menschen mit im Haus leben. Also all diejenigen, welche sich selber nicht schützen können. Ziel der Stabilisierungsphase ist Stress reduzieren, Vertrauen und Bindung aufbauen und Sicherheit vermitteln. Ohne dies = keine Heilung!

  1. Serotonin im Gehirn
    Hunde die viel Stress haben, und das ist bei einem Trauma definitiv der Fall, haben einen Serotoninmangel im Gehirn. Ein Neurotransmitter der das Wohlbefinden, die innere Zufriedenheit, das Lernen, die Impuls- und Angstkontrolle sowie den Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflusst. Ein Mangel kann daher Unwohlsein, Unzufriedenheit, Angst, Impulsivität sowie Schreckhaftigkeit und Schlafmangel hervorrufen. Da Serotonin dem Körper nicht einfach zugefügt werden kann, nutzen wir die Aminosäure Tryptophan, denn daraus und in Kombination mit Vitamin B, wird Serotonin im Gehirn gebildet. Manchmal reicht es schon, wenn du deinem Hund Haferflocken in das Futter beimischst. Können diese nicht verfüttert werden, so gibt es andere Möglichkeiten, die Aminosäure und die B-Vitamine dem Körper zuzuführen. Wichtig: Du musst ab sofort Stress vermeiden, denn Serotonin kann nur gebildet werden, wenn das Stresshormon niedrig ist. (Schau gerne auch hier: Das körperliche Gleichgewicht)
  2. Stress vermeiden
    Nicht nur um den Serotoninmangel im Gehirn auszugleichen, sollte Stress vermieden werden, sondern auch um die anderen körperlichen Systeme wie Nervensystem und Hormonhaushalt wieder in das Gleichgewicht zu bringen. Und das geht nur, wenn ein sehr gutes Stressmanagement getätigt wird. Beispiele: Dein Hund will nicht Gassi gehen. Dann darf er ab sofort einfach nur den Garten nutzen oder kurz vor die Tür. Bekommt dein Hund Panik, wenn du das Zimmer betrittst, dann kündige dein Eintreten mit einem Signal an, verhalte dich unauffällig und spiegel deinen Hund  (dazu gleich mehr). Die Ankündigung bereitet deinen Hund auf etwas Unangenehmes vor und er kann mit der Situation meist besser umgehen. Gleichzeitig zeigst du deinem Hund, dass du auf ihn achtest und der Schreck- oder Panikmoment wird abgemildert, welcher wiederum die Ausschüttung der Stresshormone reduziert.
  3. Übernimm noch mehr Verantwortung
    Sei für deinen Hund vorhersehbar und auch einschätzbar. Beschütze deinen Hund vor anderen, gefährlichen und stressigen Situationen. Erkenne seine Körpersprache an, d.h. möchte er nicht angefasst werden oder deine Nähe nicht? Geh darauf ein und respektiere seine Entscheidungen. So unterstützt du die Selbstwirksamkeit deines Hundes. Er muss unbedingt lernen, dass er in seinem Umfeld ein Mitbestimmungsrecht hat und dass er die Situation kontrollieren kann. Wir erinnern uns: ein Trauma wird u.a. erzeugt durch einen massiven Kontrollverlust. Erkennst du ihn an, so kann er lernen, sich wieder zu vertrauen und sein Selbstbewusstsein steigt.
  4. Spiegel deinen Hund
    Vermeidet dein Hund Kontakt mit dir oder anderen Familienmitgliedern? Das ist tatsächlich ganz oft der Fall. Spiegel deinen Hund und vermittel ihm so Sicherheit: Ignoriert dich dein Hund, so ignorierst du ihn ebenfalls liebevoll. Sei dennoch offen und bereit, jederzeit ein Kontaktangebot zu erwidern oder vielleicht minimale Kontaktangebote zu senden. Sei behutsam, nimm dabei eine defensive Körperhaltung ein und sende Beschwichtigungssignale / Deeskalationssignale.
  5. Bring Freude in das Leben deines Hundes
    Freude ist so wichtig um das Trauma zu bewältigen, denn nur so ist der Blick nach vorne möglich. Schau also ob dein Hund irgendetwas gerne mag, z.B. den Nachbarshund, den Hüttenkäse aus einem Kong schlecken, das Erschnüffeln von Leckerlis, die abendliche Streicheleinheit oder den Platz vor dem brennenden Kamin. Es spielt wirklich keine Rolle was es ist, es muss deinem Hund einfach nur guttun. Und auch wenn du hier vielleicht etwas länger überlegen musst, es lohnt sich.
  6. Sicherheitszone
    Das kann ein eigener Raum oder eine abgelegene Ecke sein. Dieser Bereich ist ausschließlich für deinen Hund reserviert und darf nur im Notfall und dann nur mit dem Ankündigungssignal, z.B. „Achtung“ betreten werden. Das Signal und die dahinterstehende Intention hatte ich dir bei dem Punkt „Stress vermeiden“ bereits erläutert. Wenn dein Hund dies mag, dann kannst du ihm auch eine Höhle bauen. Denk immer daran: Dein Hund kann sich erst öffnen, wenn er sich sicher fühlt.
  7. Aromatherapie für Hunde
    Die Aromatherapie ist besonders hilfreich für traumatisierte Hunde. Ätherische Öle und Hydrolate setzen im limbischen System an (das Emotionszentrum im Gehirn), das bei einem traumatisierten Hund sowieso schon sehr aktiv ist. Natürlich geht es auch ohne Öle und Hydrolate, jedoch bringen diese eine unglaubliche Unterstützung im Heilungsprozess der Psyche.
  8. Rituale geben Sicherheit
    Sicherheit ist bei der Traumatherapie das A und O, denn wie bereits erwähnt: ohne Sicherheit keine Heilung. Daher strukturiere deinen Alltag so, dass alles, was mit dir und deinem Hund zu tun hat, immer zur gleichen Zeit passiert. Das wiederum gibt deinem Hund Sicherheit, was wiederum die Angst und den Stress mindert. Zum Beispiel gehst du ab sofort immer den gleichen Spazierweg. Immer neue Wege oder 3 verschiedene Runden überfordern die Hunde. Der eigentliche Spazierweg und auch der Weg nach draußen sollte immer zur gleichen Zeit in der gleichen Abfolge ablaufen.
  9. Stabilisierung und Strukturierung der Rangordnung
    Die Stabilität in eurem sozialen Gefüge ist unglaublich wichtig, um traumatisierten Hunden die Sicherheit zu geben, die sie benötigen. Wir erinnern uns: Nur wer sich sicher fühlt, nimmt sich die Zeit zu heilen. Für Hunde ist dieses Konstrukt lebensnotwendig und für uns Menschen irgendwie auch. Es gibt die Menschen, die viel Verantwortung übernehmen und solche, die eben „nur“ Anweisungen entgegennehmen und diese abarbeiten. Beide sind im besten Fall damit zufrieden. 
  10. Tierarzt Check
    Dieser ist meist unerlässlich, denn traumatisierte Hunde sind so angespannt, dass Schmerzen vorprogrammiert sind. Auch das hohe Stresslevel kann eine „erlernte Schilddrüsendysfunktion“ hervorrufen. Am besten suchst du dir dazu einen Tierarzt, der einen Zusatz in der Verhaltenstherapie hat. Hier kannst du auch schauen: Suche Verhaltenstierärzte – GTVMT.


Wie du erkennst, ob die Stabilisierungsphase erfolgreich ist

Oft bemerken die Halter:innen, dass die Hunde gestresster scheinen oder Angst haben. Das ist in erster Linie ein gutes Zeichen, denn der Hund beschäftigt sich nun mehr mit seiner Umwelt, ist also außerhalb seiner Blase aktiv. Dennoch muss hier das Stressmanagement und der Behandlungsplan angepasst werden. Ein Verhaltenstieratzt sollte ebenfalls konsultiert werden, denn medizinische Ursachen müssen ausgeschlossen werden. Auch können heftige Reaktionen wie Aggression oder Erstarren erfolgen. Ein Zeichen dafür, dass der Hund bzw. sein Nervensystem nun den Sympathikus (auch bekannt als die 4Fs = 4 Konfliktstrategien) aktiviert. Der Hund setzt sich mit der Situation auseinander und reagiert. Hier muss ebenfalls die Behandlungsstrategie angepasst werden, um dem Hund entsprechende Unterstützung zu gewähren, solche auslösenden Situationen zu bewältigen. Vielleicht fängt dein Hund auch wieder an zu schnüffeln oder ist plötzlich nicht mehr taub? Alles vorgekommen und ein richtiger AHA-Moment. Vielleicht bemerkst du auch, dass dein Hund keine 20 Stunden Schlaf mehr benötigt, sondern pendelt sich bei den normalen 18 Stunden ein? Ein toller Fortschritt. 

Es gibt viele Möglichkeiten einem traumatisierten Hund den Weg in das Leben zu ermöglichen, man muss nur wissen, wie.

Du vermutest, dass dein Hund traumatisiert ist und Schwierigkeiten hat zurück ins Leben zu finden? Ich helfe dir und deinem Hund dabei, die Sonne wieder in das Leben zu lassen. Buch jetzt dein Erstgespräch und sende mir deine Anfrage!  

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