Wir wissen schon lange, dass die körperlichen Prozesse das sichtbare Verhalten unserer Hunde auslösen. Das Gehirn, das Nervensystem und der Hormonhaushalt reagieren auf die Umweltreize, welche auf unseren Hund einwirken und setzen das sichtbare Verhalten in Gang. Doch wird leider noch zu oft nur das sichtbare Verhalten mittels reinem Hundetraining verändert was ungesund und nicht nachhaltig ist. Oft geht es den Hund dabei sogar sehr schlecht.
Wenn wir in unsere Gesellschaft schauen, ist es jedoch nicht erstaunlich: Die Tablette, die Schmerzen wegzaubern kann und die Creme, die den Ausschlag verschwinden lässt. Es ist zwar sehr einfach, für ständigen Tabletten- und Cremenachschub zu sorgen, doch setzt man diese ab, so erscheinen wieder die Symptome, welche wiederum Hilfeschreie des Körpers sind. Dabei ist es viel effizienter, die Ursachen herauszufinden und zu behandeln, etwa die starke Verspannung oder die Allergie gegen Milchprodukte.
So geht es auch unseren Hunden und dabei ist eine Ursachenfindung und die Behandlung mit viel weniger Mühen, Kosten und Nerven verbunden.
Hundeverhaltenstherapie ja, reines Training nein
Das reine Hundetraining hilft unseren verhaltensbesonderen Hunden – oder auch Problemhunde genannt – nicht, denn oft haben diese Hunde ein und dasselbe Thema: Ihr Körper ist nicht darauf eingestellt, zu lernen und zu entspannen und wenn diese Hunde nicht lernen und entspannen können, dann hilft auch das beste Training nichts.
Und sollte das reine Training doch beim Hund ankommen, so ist es nicht nachhaltig, denn entweder wird nach kurzer Zeit das unerwünschte Verhalten wieder aufploppen oder an einer anderen Stelle bildet sich ein neues Problemverhalten. Im schlimmsten Fall wird sogar der Körper krank. Die reine Verhaltensänderung ist nichts anderes als die Unterdrückung von Symptomen, wie die Tablette oder die Creme.
Praxisbeispiele aus der Hundeverhaltenstherapie
- Fiete, der laute Beller
Fiete bellt und bellt und bellt. Er ist laut und die Halter sind schon unglaublich genervt. Sobald er Aufmerksamkeit bekommt, ist er ruhig. Das reine Hundetraining würde sich auf die Ignoranz-Zuwende-Technik belaufen, d.h. ist Fiete leise, so bekommt er Zuwendung. Ist er laut, so wird er ignoriert. Vielleicht wird hier noch mit dem Deckentraining gearbeitet, d.h. Fiete wird auf seine Decke geschickt, damit er etwas anderes tun soll. Hier sei gesagt, es gibt viele Wege nach Rom.
Auf der reinen Verhaltensebene sind die Trainingsmaßnahmen richtig. Ein Trainingserfolg ist jedoch nicht möglich, denn Fietes Gehirn arbeitet nicht richtig. Schauen wir tiefer entdecken wir: Fiete leidet an einem großen Schlafdefizit, denn er ist permanent auf Habachtstellung. Alle Mütter und Menschen mit Schlafdefizit: Fühlt euch hinein. Fiete zeigt damit nicht nur sein erlerntes Verhalten (Bellen = Aufmerksamkeit), sondern auch, dass es ihm schlecht geht. Der Schlafmangel sorgt für schwache Nerven, wodurch er unglaublich unkonzentriert ist. Sein Gehirn kann in diesem Zustand nichts abspeichern, das Nervensystem kann nicht auf Entspannung umschalten und die Hormone schütten permanent aktivierende Hormone aus. Fiete kann also nicht anders als sich so zu verhalten, wie er es gerade tut.
Die Behandlung startet damit, das Schlafdefizit auszugleichen sowie das Wohlbefinden zu steigern. Dadurch kommt das Gehirn, das Nervensystem und der Hormonhaushalt wieder in das Gleichgewicht. Lernen und Entspannen ist wieder möglich. Nun können die oben genannten reinen Trainingstechniken angewandt werden, welche schnell zum Erfolg führen. Fiete wird entspannter und bellt deutlich weniger. - Sammy fiept und winselt ununterbrochen
Sammy winselt und fiept, auch wenn in diesem Moment einfach nichts los ist. Es spielt keine Rolle, ob die Halter sich mit ihm beschäftigen oder er gerade ganz für sich ist. Auf der reinen Verhaltensebene würde man Sammy solange ignorieren, bis er ruhig ist. Man könnte ihm ein Alternativverhalten anbieten, z.B. auf seine Kuscheldecke gehen. Auch diverse Entspannungstechniken könnten hier zum Einsatz kommen.
Auf der reinen Verhaltensebene sind die Trainingsmaßnahmen richtig. Schauen wir tiefer, entdecken wir jedoch: Hunde die ständig winseln und fiepen, geht es im Wohlbefinden sehr schlecht. Fassen wir die Erstanamnese zusammen so sehen wir, dass Sammy mit den kleinsten Alltagssituationen überfordert ist und auch oft mit sich selbst, denn er weiß nicht wohin mit sich. Er wurde früh kastriert und hat eine gestörte Stress- und Emotionsregulation, d.h. er kann sich in solchen Situationen nicht selbständig regulieren. Zudem ist Sammy hochsensibel, was seine Themen zusätzlich beeinflusst.
Behandlung: Sammys Körper braucht dringend Wohlfühlhormone, welche über eine kleine Veränderung der Fütterung erreicht wird. Regulieren sich die Hormone, so regulieren sich auch Nervensystem und Gehirn (alles ist miteinander verbunden). Entspannung ist nun wieder möglich. Dadurch werden auf der sichtbaren Verhaltensebene ganz andere Reaktionen gezeigt, d.h. Sammy fiept und winselt deutlich weniger, denn er fühlt sich nun wohler. Parallel dazu wird das Stressmanagement angepasst und die Selbtwirksamkeit erhöht. Auch die Bindung und das Vertrauen zwischen den Haltern und Sammy wird so gestärkt, dass Sammy sich von den Haltern durch den Alltag führen lässt und somit die Verantwortung ganz abgeben kann. - Teddy, der Leinenrambo
Teddy sieht einen anderen Hund und dreht sofort auf. Er springt in die Leine, bellt laut und schreit förmlich. Er ist nicht mehr ansprechbar und die Halterin hat Mühe, ihn festzuhalten. Auf der reinen Verhaltensebene würden wir Teddy mit unterschiedlichen Techniken sagen „Das machst du richtig“ und „das machst du nicht richtig“. Zeigt er dann ruhiges Verhalten, so wird sein Ziel (Abstand oder Nähe) gewährt.
Auf der reinen Verhaltensebene sind die Trainingsmaßnahmen richtig. Schauen wir tiefer, sehen wir jedoch, dass Teddy selbst zu Hause im ruhigen Bereich ohne Außenreize sehr nervös, angespannt und unruhig ist. Er kann sich kaum selbst regulieren und steigert sich regelrecht in sein Verhalten hinein.
Behandlung: Da Teddys Körper sehr viel und auch explosionsartig Adrenalin ausschüttet, gleichen wir den Hormonhaushalt so an, dass das Adrenalin gedeckelt wird. Durch die reduzierte Adrenalin Ausschüttung werden die aktivierenden Bereiche im Gehirn und Nervensystem deutlich weniger stimuliert, was wiederum das ganze sichtbare Verhalten beeinflusst. Teddys Körper hat nun die Chance zur Ruhe zu kommen und letztlich auch zu lernen, dass an der Leine nicht gepöbelt wird. - Bruno ist teilnahmslos und hat Angst vor Frauchen
Bruno kommt aus dem Ausland und wurde sichtlich schwer misshandelt. Narben versehen seinen ganzen Körper. Bruno hat im Haus seinen eigenen Raum und liegt den ganzen Tag regungslos auf dem Bett und starrt die Wand an. Kommt Frauchen in den Raum oder möchte mit ihm Gassi gehen, hat Bruno starke Angst, zittert und nässt sich ein. Im reinen Hundetraining würde man den Hund spiegeln, d.h. Bruno nur anschauen, wenn er Frauchen anschaut. Solange Bruno sie ignoriert, ignoriert Frauchen Bruno. Vielleicht würde Frauchen etwas Schönes hinzufügen, z.B. Futter und als Zielerreichung (Belohnung) direkt wieder den Raum verlassen.
Auf der reinen Verhaltensebene wären diese Trainingstechniken eine Option, doch schauen wir tiefer sehen wir, dass Bruno stark traumatisiert ist und sein ganzer Körper im Ohnmachtszustand verweilt. Hat Bruno also gerade keine Angst ist er geistig abwesend und nicht im Hier und Jetzt. Bruno kann also nicht lernen, dass Frauchen ganz toll ist.
Behandlung: Brunos Körper ist im absoluten Überlebensmodus. Das Denkzentrum im Gehirn, welches für Wahrnehmung, Erkennen und Denken (Kognition) zuständig ist, ist nicht mehr aktiv. Das Nervensystem hat auf Notabschaltung geschaltet, um Körper und Psyche vor dem Zusammenbruch zu schützen. Das Hormonsystem schüttet ununterbrochen Stresshormone aus. Damit Bruno lernen kann, dass Frauchen ganz toll ist, muss sein körperliches Gleichgewicht erst wieder hergestellt werden, denn Lernen ist in diesem Zustand nicht möglich.
Ein Beispiel aus meiner/unseren Menschenwelt
Ich hatte viel zu tun und noch einiges zu erledigen. Mein Mann bat mich, mich zu ihm zu setzen und einen Kaffee zu trinken. Ich war eigentlich total gestresst und hatte keine Zeit dafür, doch setzte ich mich mit dem Gedanken, etwas zu entspannen sei eine gute Idee. Nach 2 Minuten waren meine Gedanken wieder bei meinen Aufgaben und ich trank den Kaffee noch schneller, während ich immer unruhiger wurde. Nach 2 Minuten konnte ich nicht anders: ich sprang auf, entschuldigte mich und rannte hektisch aus der Tür, um meine Sachen zu erledigen. Der Wille mich zu entspannen war da, doch mein Körper konnte die Entspannung nicht annehmen. Klingt logisch, oder?
Hundeverhaltenstherapie: Das körperliche Gleichgewicht ist die Basis
Wie du aus den vielen Beispielen sehen kannst, entscheidet der Körper darüber, ob dein Hund ein neues Verhalten lernen kann oder nicht. Er entscheidet darüber, welches sichtbare Verhalten gezeigt wird (Psychophysiologie). Vor allem wenn du bereits einiges ausprobiert hast und es keine oder nur schleppende Erfolge gibt, ist dies ein Indiz dafür, dass ein körperliches Ungleichgewicht besteht. Es spart dir viel Mühe, Zeit, Nerven und Geld, an der Wurzel zu arbeiten, statt auf der reinen Verhaltensebene Schadensbegrenzung zu betreiben. Und noch etwas ist ganz wichtig: Wenn du den Ursprung des Verhaltens veränderst, veränderst du automatisch das Verhalten.
Du möchtest wissen, ob dein Hund ein körperliches Ungleichgewicht hat? Dann mach jetzt hier den Test oder wir schauen gemeinsam, ob dein Hund ein Ungleichgewicht im Körper hat.