Angst ist für unsere Hunde wichtig, um zu überleben, sich zu schützen und unversehrt durch eine Situation zu kommen. Ohne Angst sind unsere Hunde nicht lebensfähig. Doch wird die Angst zu groß, reagiert dein Hund ganz intuitiv (instinktiv), um die Situation schnellstmöglich und unbeschadet zu beenden. Eine normale Verhaltensreaktion. Doch es gibt ein Problem: Ist/war die emotionale Beteiligung sehr hoch, so wird diese in Verbindung mit der Situation/Ort/Lebewesen abgespeichert. Und nun nimmt das Drama seinen Lauf: Angst ist die einzige Emotion, die bereits vor einer Situation eintritt und somit das rationale Denken und neue positive Lernerfahrungen blockiert. Zudem generalisiert die Angst sehr schnell, d.h. die Angst überträgt sich ohne sichtbaren Grund auf andere Situationen, Objekte, Lebewesen oder Orte. Das Angstverhalten wird demnach immer schlimmer und intensiver. Hinzu kommt, das sich die Angst- und Stressreaktion im Körper physiologisch sehr ähneln, weshalb eine normale Stresssituation die Emotion Angst auslösen kann. Der Körper hat Schwierigkeiten zu differenzieren. Dadurch entsteht ein Stress-Angst-Teufelskreis der neue Lernerfahrungen verhindern und euren Alltag belastet.
Ängstlicher Hund: Körper und Verhalten
Angst- und Stressanzeichen sind sich physiologisch sehr ähnlich und irgendwann für den Körper schwer zu unterscheiden. Eine normale Stresssituation kann somit die Emotion Angst und auch das Angstverhalten auslösen. Zeigt dein Hund diese Verhaltensweisen, so hat er Angst oder ist gestresst:
- Hecheln, speicheln, schäumen
- Hund zittert
- Aufgerissene Augen, geweitete Pupillen und die Sklera (das Weiße) ist zu sehen
- Haarausfall, spontane Schuppenbildung
- Erbrechen, Durchfall
- Flüchten wollen
- Gekrümmte Beine, geduckter Kopf
- Zähneklappern
- Angelegte Ohren, eingezogene Rute
- Verstecken, Apathie, Erstarren
- Ruhelosigkeit, Nervosität
- Stehenbleiben
- Verbellen
Das passiert im Körper
Der Ursprung des sichtbaren Verhaltens ist der Körper. Hier werden verschiedene Prozesse angestoßen, die im letzten Schritt das sichtbare Verhalten der Angst erzeugen. Wenn wir unserem Hund helfen möchten, so müssen wir erstmal verstehen, welche körperlichen Prozesse aktiv sind, wie diese das sichtbare Verhalten beeinflussen und wie wir diese Kettenreaktion beeinflussen können. Dazu zählen das Nervensystem, der Hormonhaushalt und das Gehirn.
- Das Nervensystem
Es wacht ununterbrochen über die körperliche Sicherheit, ohne dass dies bewusst von unseren Hunden oder uns wahrgenommen wird. Je nach Situation wird einer der drei Äste des Nervus Vagus (Hirnnerv) aktiviert, welcher wiederum das Hundeverhalten auslöst. Bei der Emotion und den Gefühlen der Angst ist der Sympathikus aktiv. Dein Hund ist angespannt und in Habachtstellung. Dieser Teil des Nervensystems mobilisiert die körperliche Energie und dein Hund macht sich bereit für eine Aktivität. Es werden u.a. Verhaltensreaktionen wie Kampf, Flucht, Erstarren und Flirt/Übersprungshandlung (die 4Fs) gezeigt. - Der Hormonhaushalt
Hat dein Hund Angst, so werden Hormone ausgeschüttet, welche wiederum auf den Organismus aktivierend und erregend wirken. Je nach Intensität und Länge der Angst werden vermehrt Adrenalin und Noradrenalin und/oder Cortisol ausgeschüttet, welche wiederum das Verhalten beeinflussen. - Das Gehirn
Angst bedeutet für den Körper Stress und Stress brauchen wir und unsere Hunde zum Lernen. Doch wird der Stress zu groß, so ist dein Hund nicht nur überfordert, sondern auch sein Gehirn läuft nicht mehr so, wie es sollte. Der Speicherprozess funktioniert dann nicht mehr, doch wieso ist das so? Das Gehirn ist (ganz grob) aufgeteilt in zwei Areale: Das Emotionszentrum und das Denkzentrum. Beide Areale arbeiten gegensätzlich, d.h. sie sind nicht gemeinsam aktiv.
Denkzentrum an – Emotionszentrum aus
Ist dein Hund in einer Situation leicht gestresst und dennoch aufnahmebereit, konzentriert und kann Signale wie „Sitz“ umsetzen, so ist das Denkzentrum aktiv, das Emotionszentrum ruht. Er hat die volle bewusste Kontrolle über sich und sein Handeln und kann in diesem Zustand das neu erlernte Verhalten und die dazugehörige Emotion abspeichern.
Denkzentrum aus – Emotionszentrum an
Hat dein Hund Angst, so ist das Emotionszentrum aktiv, das Denkzentrum ruht. Dein Hund hat in diesem Zustand nicht die Möglichkeit wahrzunehmen, rational zu denken, zu handeln und diese Erfahrungen abzuspeichern, z.B. das die Mülltonne oder der andere Hund ungefährlich sind. Das Einzige, was dein Hund abspeichert und lernt ist, dass der Reizauslöser Mülltonne oder der andere Hund die Emotion und das Gefühl der Angst auslösen.
Angsthund Therapie: So geht`s!
Um deinem Hund schnellstmöglich helfen zu können, ist es notwendig, dir vorab einen Überblick zu verschaffen. Nur wenn wir genau wissen, worum es geht, ist es deinem Hund möglich seine Angst loszulassen, neues Verhalten zu erlernen und euren Alltag wieder entspannt zu leben. In der Therapie berücksichtige ich daher immer diese 3 Punkte:
- Die Angst kategorisieren
Angst ist nicht gleich Angst.Die Art der Angst, Intervall, Angstintensität sowie die verstrichene Zeit geben Aufschluss darüber, wie viel Unterstützung dein Hund benötigt und wie lange der Weg aus der Angst dauern könnte. Eine leichte Unsicherheit ist schneller aufgelöst als eine Phobie. Diese sieben Angstformen gilt es zu unterschieden:
• Unsicherheit
• Ängstlichkeit (Beschreibung der allg. Grundstimmung, immer vorsichtig und „schüchtern“)
• Angst (bezieht sich auf etwas Unbestimmtes, Sorge, dass etwas Schlimmes passiert)
• Panik (entsteht aus der Angst. Eine Weiterentwicklung ist die antizipatorische Angst, d.h. „Angst vor der Angst“. Der Ursprüngliche Angstauslöser ist nicht mehr der Auslöser, sondern der Hund bekommt Angst, da er gleich das unschöne Gefühl Angst erlebt.)
• Furcht (bezieht sich auf etwas Bestimmtes, z.B. DER Nachbarshund, DIE Wiese im Park, etc.)
• Phobie (entsteht aus der Furcht. Eine übertriebene Reaktion, unabhängig von Intensität des Auslösers. Die Erregung hält noch lange nach Verschwinden des Auslösers an)
• Neophobie (Eine Form der Phobie, Furcht vor allem Neuen)
Um es einfach zu halten, spreche ich in den folgenden Zeilen weiterhin von der „Angst“, statt zwischen den einzelnen Arten zu differenzieren. - ) Ursache(n) der Angst ermitteln
Neben dem eigentlichen Angstauslöser (z.B. ein lautes Knallgeräusch) und den generalisierten Angstauslösern, gibt es weitere Gründe, die das Angstverhalten begünstigen und festigen. Daher ist es unerlässlich, diese ebenfalls zu berücksichtigen, statt ausschließlich am reinen Angstauslöser zu trainieren. Es gilt die 20/80 Regel. 80% vom Training finden außerhalb solcher Angstsituationen statt. Hier wird die Basis gelegt, sodass dein Hund die restlichen 20% Training in der Akutsituation auch schaffen und daraus neues Verhalten lernen kann. Oft ist er dazu nämlich gar nicht in der Lage, da die Voraussetzungen (80%) nicht vorhanden sind. (Noch) fehlende Voraussetzungen könnten sein:
• Instabile Beziehungsstruktur (für Sicherheit und tiefes Vertrauen)
• Körperliches Ungleichgewicht (den Test findest du hier)
• Biografie (z.B. Deprivationssyndrom, Traum, etc.)
• Mangelnde Sozialisierung
• Unbewusste Bestätigung durch Halter:in
• Deritualisierung (z.B. Veränderung der sozialen Gemeinschaft)
• Erkrankungen / Schmerzen
• Angeborene Angst (Genetik / Überzüchtung) - Ganzheitlicher Trainingsplan
In den letzten Jahren durfte ich immer wieder feststellen, dass ALLE Angsthunde an einem körperlichen Ungleichgewicht leiden sowie den Tiefgang in der Beziehungsstruktur benötigen. Ohne die Stabilisierung dieser beiden Punkte wird es dein Hund nicht schaffen, seine Angst zu überwinden. Daher ist es notwendig, dass du einen auf dich und deinen Hund abgestimmten Plan erhältst, der diese beiden Punkte ins Gleichgewicht bringt. Sie zählen zu der Basis, die 80%. Des Weiteren ist es ratsam die Fütterung anzupassen und den Alltag und mögliche (unerwartete) Angstsituationen so zu strukturieren, dass du immer genau weißt, wie du deinem Hund helfen kannst. Hilfsmittel wie die Aromatherapie oder Bandagen unterstützen deinen Hund zusätzlich, seine Angst loszulassen. Das reine Training am Angstauslöser (20%) und die einzelnen Techniken werden ebenfalls individuell angepasst, denn die Angst vor einer Mülltonne wird anders behandelt, als die Angst vor Geräuschen. Hier stelle ich dir 4 Techniken vor, wie du deinem Hund zeigen kannst, dass ein bestimmter Gegenstand, ein Mensch oder auch ein Bodenbelag nicht gefährlich ist. Bitte beachte noch: Auf das Locken mit Futter solltest du unbedingt verzichten. Mit dieser Technik schadest du nicht nur deinem Hund, sondern auch eurer Beziehung!
Hast du auch einen Angsthund und ihr kommt in eurem Alltag an eure Grenzen? Ich helfe dir und deinem Hund, die Ängste zu überwinden und wie du ihn dabei unterstützen kannst. Sende mir jetzt deine Anfrage!