Übungen für ängstliche Hunde – Seevetal 

Dein ängstlicher Hund fürchtet sich vor Gegenständen, Geräuschen, Menschen oder Tieren?
Angst ist wichtig, um zu überleben, sich zu schützen und unversehrt durch eine Situation zu kommen. Ohne Angst sind wir und auch unsere Hunde nicht lebensfähig. Angst ist gesund und sollte von uns Halter:innen gesehen und beantwortet werden. Doch was kannst du für deinen Hund tun, damit er seine Angst bewältigen kann?

Wenn dein Hund ängstlich und unsicher reagiert, dann solltest du ihn auf keinen Fall mit Leckerchen zum Angstobjekt hinlocken, um ihn somit zu zeigen, dass alles ok ist. Denn für deinen Hund ist nichts ok. Diese Hundeerziehungs-Methode ist sehr veraltet und schadet deinem Hund (und auch dir) mehr, als du glaubst. Doch warum ist das so?

Ein Beispiel
Du gehst in der Dämmerung mit einer dir sehr nahestehenden Person, vielleicht deiner Freundin oder deinem Partner, spazieren. Du fühlst dich bei dieser Person sicher und weißt, du kannst dich auf sie verlassen. Während ihr spazieren geht, entdeckst du eine unbekannte Person, die dir sehr unheimlich vorkommt. Diese Person erscheint dir sehr bedrohlich, sodass sich in dir ein unbehagliches Gefühlt breit macht. Du fühlst dich immer unwohler, merkst dass du bei jedem weiteren Schritt zu dieser Person hin unruhiger wirst. Du machst deine Begleitung darauf aufmerksam, dass du in eine andere Richtung gehen möchtest, doch deine Begleitung sagt dir, dass der Fremde dir nichts tut, dass alles gut ist und diese Richtung der schnellste Weg nach Hause ist. Du gehst mit deiner Begleitung weiter und sie erzählt dir noch etwas vom Tag, doch das hörst du gar nicht mehr. Auf Höhe der fremden Person willst du dann nur noch weg. Du beginnst schneller zu gehen, ziehst deine Begleitung förmlich mit. Dein Blick geht immer wieder nach hinten, um dich zu vergewissern, dass die Person auch bloß weiter geht. Nun merkst du, wie eine Hitzewelle und kalter Schweiß deinen Körper fluten. Dein erster klare Gedanke ist „Das war knapp. Hoffentlich passiert das nie wieder.“ Und etwas später fällt dir auf, dass deine Begleitung, der du so sehr vertraust, dich nicht gehört bzw. deine Angst einfach abgetan hat. Du fühlst dich dadurch ungesehen, unverstanden und hinterfragst, ob du dieser Person immer noch blind vertrauen würdest. Der Person, die dich in so eine Lage gebracht hat. Das gleiche passiert mit deinem Hund, wenn du ihn zu einem Angstobjekt lockst. Je nachdem, wie groß die Angst ist, kann dein Hund selbst eine positive Begegnung nicht speichern, da sein Gehirn so mit den Emotionen (Angst und Stress) und dem eigenen Selbstschutz beschäftigt. Klares Denken ist in diesem Zustand nicht möglich.

Hund nicht zum Angstauslöser locken – 5 Gründe

  1. Dein Hund würde sich dem angstauslösenden Reiz niemals selber nähern.
    Eher würde er die Flucht ergreifen, um unversehrt zu bleiben. Sein Ziel, die Flucht und dein Ziel, die Annäherung, sind zwei völlig verschiedene Ziele, die nicht kompatibel sind. Es macht für deinen Hund keinen Sinn.
  2. Du bringst deinen Hund damit in einen Konflikt, statt ihm beizustehen.
    Dadurch kann es zu einem Vertrauensbruch kommen, der sich in eurem Alltag widerspiegelt.
  3. Die schnelle Flucht am Ende ist extrem selbstbelohnend.
    So lernt dein Hund, dass sich die Flucht mehr lohnt als das Hingehen wie auch das Fressen von Futter. Das liegt daran, dass das biologische Ziel die Distanzvergrößerung ist, nicht die Nähe und auch nicht das Fressen von Futter
  4. Das Locken mit Leckerli lenkt vom eigentlichen Lernprozess ab.
    Vor allem verfressene Hunde fixieren sich so stark auf das Futter, statt sich mit dem Angstauslöser auseinander zu setzen. Das Futter fungiert somit als Ablenkung und dein Hund lernt dabei nichts.
  5. Durch das Locken mit Leckerli lernt dein Hund zudem, die Gefahr zu tolerieren.
    Dadurch unterdrückt er seine Gefühle und seine Intuition, was sich wiederum in der Psyche wiederspiegelt.

4 Übungen für ängstliche Hunde 

Damit dein Hund den Angstauslöser als „normal“ und neutral betrachten kann, solltest du ihm unbedingt die Chance geben, sich in deiner sicheren Gegenwart mit diesem zu beschäftigen, ihn zu betrachten und ihn wahrzunehmen. So mehr dein Hund in Ruhe diese Chance hat, desto mehr kann sein Gehirn das Angstobjekt neu bewerten. Begleitest du ihn auf diesen Weg, so lernt dein Hund zudem, dass du für ihn da bist (Bindung), was sich wiederum in erneuten Angstmomenten positiv auswirkt. Hilf deinem Hund, sich selbst zu helfen. Hierfür kannst du je nach Persönlichkeit deines Hundes und je nach Angstauslöser eine der folgenden Techniken nutzen. Bitte beachte immer, dass du an der Grenze des Machbaren trainierst, d.h. dein Hund sollte nicht zu stark gestresst sein oder sogar in Angst verfallen, damit er noch lernen kann.

  1. Target Training Hund
    Dein Hund lernt mit einem Gegenstand oder einem Körperteil in der Nähe des Angstauslösers etwas zu tun. Hier wird also nicht direkt am Angstauslöser gearbeitet, sondern der Fokus wird verschoben. Dafür muss dein Hund vorher schon gelernt haben, auf Signal, z.B. deine Hand mit seiner Nase zu berühren und zu „halten“ oder z.B. eine bestimmte Matte mit seiner Pfote zu berühren.

    Beispiel Bodenbelag:
    Dein Hund traut sich nicht in die Küche, da ihm die Fliesen nicht geheuer sind. Auch im Haus läuft er lieber auf dem Teppich und meidet die Fliesen. Du legst eine Targetmatte in die Nähe der Fliesen. Achte auch hier auf einen guten Abstand, sodass dein Hund nicht gestresst ist. Nun wird jede Interaktion deines Hundes mit der Targetmatte gemarkert. Auch die Futterbelohnung wird bei Entfernung vom Target gegeben

    Ablauf:
    • Hund schaut zur Tagetmatte -> Markern -> umdrehen, vom Angstauslöser entfernen und dabei mit Futter belohnen
    • Richtung Targetmatte gehen -> Hund schnüffelt Richtung Targetmatte -> Markern -> umdrehen, vom Angstauslöser entfernen und dabei mit Futter belohnen
    • Richtung Targetmatte gehen -> Hund berührt Tagetmatte -> Markern -> umdrehen, vom Angstauslöser entfernen und dabei mit Futter belohnen

    Wichtig:
    • Die Targetmatte wird nach und nach immer näher zur Fliese gelegt, doch Achtung: Die Distanz zum Angstauslöser nicht zu schnell reduzieren. Der Effekt des Lockens kann entstehen, da der Hund auch hier mit einem anderen Objekt beschäftigt ist, ähnlich wie mit dem Locken mit Futter. • Dein Hund hat Angst vor Kindern? So könntest du den Schuh deines Kindes als Target nutzen. Interagiert dein Hund mit dem Schuh, so wird er wie oben beschrieben belohnt und mit der Distanzvergrößerung verstärkt. Macht er dies richtig gut und zeigt keine Angst mehr, so könntest du auch auf das ganz normale Markern (Übung 1) umsteigen und/oder auch gerne andere Kinderkleidung benutzen.
  2. Gegenstand zusammen anschauen
    Bei dieser Technik gehst du voraus, betrachtest den Gegenstand, fasst ihn an und zeigst damit deinem Hund, dass der Gegenstand gefahrfrei ist. Dein Hund darf dich aus der Entfernung einfach beobachten.

    Beispiel Mülltonne:
    Du gehst mit deinem Hund spazieren und ihr kommt zu der „gefährlichen“ Mülltonne. Du bleibst mit deinem Hund mit so viel Abstand stehen, dass dein Hund noch ansprechbar ist und nicht flüchten möchte.

    Ablauf:
    • Gib deinem Hund das Signal „bleib“ oder „sitz“ und gehe alleine zu der Mülltonne.
    • Nun begutachtest du sie demonstrativ, berührst sie und läufst um sie herum. Dies alles tust du mit Ruhe und mit Selbstsicherheit. Achte darauf, dass dein Rücken nicht zu deinem Hund gewandt ist, da er dich und deine Interaktion mit der Mülltonne so nicht gut beobachten kann.
    • Nun gehst du zu deinem Hund zurück und ihr geht zusammen Richtung Mülltonne.
    • Wenn dein Hund es braucht, laufe dabei gerne einen Bogen, um eine Sicherheitszone für deinen Hund zu schaffen.
    • Bleibe zwischendurch stehen, sodass dein Hund Zeit hat, sich mit dem Angstauslöser Mülltonne zu befassen. Gleichzeitig bringt die kurze Pause viel Ruhe in die Situation.
    • Schnüffelt dein Hund an der Mülltonne, so geh in die Hocke und begutachte mit deinem Hund gemeinsam die Tonne.
    • Ist dein Hund fertig oder du hast das Gefühl, dass ihn gleich die Angst packt und er flüchten möchte, entfernst du dich mit Ruhe wieder von der Tonne. Achte darauf, dass er sich nicht aus Angst von der Tonne abwendet, denn die Flucht am Ende ist (wie bereits beschrieben) extrem selbstbelohnend.
  3. Pendeln
    Die Pendeltechnik beschreibt die langsame Annäherung zum Angstauslöser und das Entfernen. Durch diese Technik bleibt dein Hund in (Kurven-) Bewegung, welche wiederum deinen Hund locker hält. Auch die muskuläre Bewegung baut die Stresshormone ab. Dein Hund kann sich dem Angstauslöser langsam und ohne frontale Ausrichtung annähern. Die Distanz kann immer wieder frei verändert und so deinem Hund angepasst werden. Du kannst sie auf schmalen Straßen, Gängen, Brücken oder auch auf freien Flächen anwenden.

    Beispiel Mülltonne:
    Du gehst mit deinem Hund spazieren und ihr kommt zu der „gefährlichen“ Mülltonne.

    Ablauf:
    • Während des Laufens sieht dein Hund die Mülltonne. Dabei ist er noch recht locker und nicht ängstlich.
    • Nun veränderst du deine Laufrichtung, indem du dich mit deinem Hund umdrehst, sodass du dich vom Angstauslöser wegbewegst.
    • Nun drehst du dich wieder um und läufst Richtung Angstauslöser.

    Wichtig:
    • Während des Laufens bist du in voller Ruhe und läufst dementsprechend auch eher langsam.
    • Bleib für deinen Hund verfügbar, d.h. nimmt er Kontakt zu dir auf, so beantworte diesen Kontakt.
    • Lobe deinen Hund leise, wenn er mit der Mülltonne interagiert.
    • Achte auch hier darauf, dass dein Hund sich nicht aus Angst von der Tonne abwendet, denn die Flucht am Ende ist extrem selbstbelohnend.
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Prinzipiell ist es egal, wie du dich dem Angstobjekt annäherst. Es geht viel mehr darum sich wieder abzuwenden, wenn dein Hund kein Angstverhalten zeigt.

4. Markern
Bei dieser Technik wird jede Interaktion deines Hundes mit dem Angstobjekt gemarkert. Dafür kannst du ein Markerwort oder einen Clicker benutzen. Ein Clicker ist besonders für sehr gestresste Hunde geeignet. Das liegt daran, dass das mechanische Geräusch im Hundegehirn in einer Stresssituation eher verarbeitet und wahrgenommen wird, als ein gesprochenes Wort. Wie du den Marker aufbaust, erfährst du in diesem Beitrag unter Punkt 7 (Gegenkonsitionierung).

Beispiel Mülltonne:
Du bist mit deinem Hund spazieren und ihr kommt zu der „gefährlichen“ Mülltonne. Du bleibst mit deinem Hund mit so viel Abstand stehen, dass dein Hund noch ansprechbar ist und nicht flüchten möchte. Nun markerst du jede Interaktion deines Hundes mit dieser Mülltonne. Dazu zählen:

• hinschauen
• in Richtung Mülltonne schnüffeln
• ein Schritt in Richtung Mülltonne gehen
• etc.

Nach jedem Marker erhält dein Hund ein Stückchen Futter. Der Marker und das Futter sagen deinem Hund, dass er das gerade richtig und toll macht. Doch die eigentliche Belohnung kommt nun: Du baust die Distanzvergrößerung ein, das biologische Ziel deines Hundes, welches er mit seinem Verhalten erreichen möchte. Hierbei gibt es zwei Varianten, die je nach emotionalem Zustand und Stresslevel an deinen Hund angepasst werden sollte. Sie unterschieden sich lediglich in dem Zeitpunkt, wann du dich von dem Angstauslöser entfernst.

Variante 1: Mehr Stillstand, weniger Bewegung
Jedes Mal, wenn dein Hund mit dem Angstauslöser, z.B. der Mülltonne interagiert, wird dieses Verhalten punktuell gemarkert, was wiederum deinem Hund mitteilt: „Das machst du gut.“ Nach dem Marker bekommt dein Hund ein Stück Futter und das Spiel beginnt von Neuem. Dabei bleibst du an Ort und Stelle mit deinem Hund stehen. Ihr bewegt euch weder zum Angstobjekt hin noch weg. Erst nach dem letzten Marker, den du situativ und individuell bestimmst, drehst du dich vom Angstauslöser weg und fütterst deinen Hund, während ihr euch entfernt. Nach einer Pause gehst du wieder Richtung Angstauslöser und das gleiche Spiel beginnt von vorne. Achte dabei auf deinen Hund, dass er immer im Bereich des Machbaren bleibt.

Abfolge:
• Hund schaut zur Mülltonne -> Markern -> Futter
• Hund schnüffelt Richtung Mülltonne -> Markern -> Futter
• Hund schaut zur Mülltonne -> Markern -> umdrehen, von der Mülltonne entfernen und währenddessen mit Futter belohnen

Variante 2: Weniger Stillstand, mehr Bewegung
Vor allem Hunde, die es kaum aushalten können, profitieren von dieser Variante. Dabei ist deine Ruhe essenziell und hilft deinem Hund trotz der Bewegung in der Konzentration zu bleiben. Achte darauf, dass du ruhige und entspannte Schritte gehst und du dich deinem Hund anpasst. Beginne seine Interaktion mit der Mülltonne zu markern und belohne mit dem Futter immer erst, wenn ihr euch von der Mülltonne entfernt.

Abfolge:
• Hund schaut zur Mülltonne -> Markern -> umdrehen, von der Mülltonne entfernen und dabei mit Futter belohnen
• Auf die Mülltonne zugehen -> Hund schaut zur Mülltonne -> Markern -> umdrehen, von der Mülltonne entfernen und dabei mit Futter belohnen

Wichtig:
• Diese Übung ist für deinen Hund unglaublich schwer, daher überfordere ihn nicht.
• Entfernst du dich von dem Angstauslöser, wird nicht mehr gemarkert.
• Sollte dein Hund bei dieser Übung starke Stresssymptome, Angst oder Aggression zeigen, so war die Distanz zum Angstauslöser nicht groß genug. Auch wenn dein Hund zu Beginn 100 Meter braucht um noch ansprechbar zu sein und lernen zu können: 100 Meter sind 100 Meter und nicht 90.

Selbstverständlich kannst du ganz individuell und situativ die Techniken wechseln. In Alltagssituationen macht dies sogar Sinn, denn im wahren Leben läuft nie etwas nach Plan. Ich persönlich wähle für meine Hündin Nala (geb. 01/2014) eher die Marker-, und wenn sie mehr Unterstützung braucht, die Pendeltechnik.

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