Es ist wichtig nicht nur die Verhaltensebene durch Training bzw. Kommunikation zu verändern, sondern zugleich etwas tiefer zu schauen. Die körperliche Ebene sollte unbedingt unterstützt werden, damit unser Hund lernen und entspannen kann. Beides ist nämlich nur unter bestimmten körperlichen Voraussetzungen möglich.
Das sichtbare Verhalten wird u.a. von dem Hormonhaushalt gesteuert. Hast du, wie im letzten Beitrag beschrieben, bereits das Adrenalin im Körper deines Hundes reduzieren können, sorgen wir nun dafür, dass sich der Gegenspieler, das Wohlfühlhormon Serotonin, bilden kann. Dafür brauchen wir die Hilfe der Aminosäure Tryptophan.
L-Tryptophan für Hunde
L-Tryptophan ist eine Aminosäure, die über die Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel dem Körper zugeführt wird und als Baustoff für den Botenstoff Serotonin dient. Serotonin ist ein Neurotransmitter, welches im Gehirn gebildet wird und bei ausreichender Menge für Wohlbefinden, Zufriedenheit, gutes Lernen, eine angemessene Angst- und Impulskontrolle sorgt. Des Weiteren wird aus Serotonin das Schlafhormon Melatonin gebildet, welches unsere Hunde (und auch wir) für unseren Schlaf-Wach-Rhythmus benötigen.
Die meisten Hunde, die gestresst und unruhig sind, mit Ängsten oder Aggression ein Thema haben, leiden an einem Serotoninmangel. Reizbarkeit, Zwangsstörungen, Impulsivität, Lernblockaden, Depression und asoziales Verhalten sind weitere Folgen eines Serotoninmangels. Stell dir ein Wasserglas vor: Das Wasser stellt den Serotoninhaushalt deines Hundes dar: Umso intensiver das unerwünschte Verhalten deines Hundes, umso leerer ist der „Serotoninspeicher“, das Wasserglas. Mit dieser Veranschaulichung erkennst du sicher schnell, dass dein Hund keine Möglichkeit hat, in die Entspannung und Ruhe zu finden, selbst wenn er es wollte.
Unsere Aufgabe ist es nun die Ausschüttung der Wohlfühlhormone zu veranlassen. Da es keine Präparate gibt, die das Serotonin enthalten, fügen wir dem Körper den Baustoff zu, aus dem das Serotonin gebildet wird: Das Tryptophan. Je nach Intensität, Schweregrad und Erfahrung des unerwünschten Verhaltens, empfehle ich diese unterschiedlichen Präparate und Lebensmittel, die entsprechend unterschiedlich hohe Dosierungen an Tryptophan enthalten:
• Leichte Intensität = Haferflocken
• Mittlere Intensität = Adaptil Chews
• Hohe Intensität = Relax Plus von Vet Concept
Haferflocken enthalten die richtige Zusammensetzung aus Tryptophan, Vitamin B3 & B6 und Magnesium. Achte darauf, dass du diese vor der Fütterung 5 Minuten in heißem Wasser quellen lässt und immer frisch zubereitest. Dann 2x täglich unter das Futter mischen. Große Hunde bekommen je Mahlzeit 2 EL und kleinere Hunde je 1 EL Haferflocken. Bei den Adaptil Chews und dem Relax Pulver entnimmst du die korrekte Menge der Verpackung und teilst diese wiederum auf beide Mahlzeiten auf (morgens und abends).
Die Gabe sollte unbedingt 2x täglich erfolgen (morgens und abends). Das ist sehr wichtig! Der Körper soll kontinuierlich mit Tryptophan versorgt werden, denn die Blut-Hirn-Schranke zwischen Gehirn und dem restlichen Körper öffnet sich nur nach Bedarf. Durch die 12 Stunden Gabe ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass genug Tryptophan die Schranke bei Öffnung passieren kann, als wenn nur alle 24 Stunden Tryptophan zur Verfügung steht.
Nach zwei Wochen wirst du schon einen Unterschied merken. Dein Hund wird immer noch Stress haben, unruhig sein oder Themen mit Angst- und/oder Aggression haben, jedoch ist er jetzt bereit neues Verhalten zu lernen, was wir auf der Verhaltensebene durch Kommunikation und Training verändern.
Serotonin für Hunde, das ist wichtig:
- Adrenalin ist ein Stresshormon, welches den Körper in die Aktivität bringt. Es wirkt demnach gegensätzlich zu Serotonin. Die Adrenalinzufuhr über das Futter sollte daher umgehend gestoppt werden. Nur so kann sich Serotonin im Körper deines Hundes bilden. Adrenalin wird auch bei Hetzspielen ausgeschüttet, z.B. Ballspiele oder in Situationen, wo viel Freude entsteht. Auch hier sollte die Situationen umstrukturiert werden, damit die Adrenalinausschüttung so gering wie möglich bleibt. Je nach Intensität des unerwünschten Verhaltens werden meine Kundenhunde manchmal sogar auf Adrenalinentzug gesetzt.
- Auch das Stresshormon Cortisol bringt den Körper in die Aktivität, sogar langanhaltender als Adrenalin und wirkt gegensätzlich zu Serotonin. Situationen in denen Cortisol ausgeschüttet wird, solltest du vorerst ebenfalls umstrukturieren. Für sehr intensives Verhalten oder Traumata ist es sogar unerlässlich eine stressige Situation für 14 Tage zu vermeiden. So reguliert sich nicht nur der Hormonhaushalt schneller, sondern auch das Nervensystem. Dein Hund kann danach viel schneller neues Verhalten erlernen.
Wenn wir erstmal verstanden haben, wie das sichtbare Verhalten entsteht und wie stark der Hormonhaushalt dafür verantwortlich ist, so können wir punktuell etwas dafür tun und es unserem Hund sowie auch uns leichter machen. Fast alle meine Kundenhunde haben ein hormonelles Ungleichgewicht. Wird das Gleichgewicht wieder herstellt ist das Staunen groß, wie schnell die Entspannung und das Lernen möglich ist.
Hat auch dein Hund ein hormonelles Ungleichgewicht? Vielleicht sogar ein Ungleichgewicht im Gehirn und/oder im Nervensystem? Mach den kostenlosen Test!