Dein Hund hat Angst vor Herrchen, anderen Familienmitgliedern, Besuchern, Handwerkern oder bestimmten Menschengruppen? Bei Sichtung geht dein Hund in die Flucht und traut sich nicht mehr heraus und meidet die Nähe? Dann kennst du sicherlich den Tipp, dass die Person, welche beim Hund Angst und Unsicherheit auslöst, Futter zum Hund werfen soll. Der Hund soll das Futter fressen und lernen, dass keine Gefahr besteht. Diesen Tipp kenne auch ich und er hat schon vor 10 Jahren nicht funktioniert. Aber warum ist das so und was kannst du stattdessen für deinen Hund tun, um die Angst zu verlieren?
Hund hat Angst vor Menschen: Praxisbeispiel Luna
Luna war eine aufgeweckte Hündin, die durch Kleinigkeiten schnell aus dem Konzept gebracht wurde und in die Unsicherheit fiel. Da reichten schon kleinste Geräusche aus und eben auch der Anblick von Herrchen. Herrchen probierte viel aus, um das Herz der kleinen Hundedame zu gewinnen, u.a. die Technik des Futterwerfens. Doch egal wie oft und wie viel Futter er warf, egal wie hochwertig dieses auch war, Luna fühlt sich in seiner Nähe unwohl. Sie fraß, wenn die Distanz für sie ausstreichend war. Ergriff nach dem Fressen jedoch immer und immer wieder die Flucht.
Darum hat die Futterwurftechnik nicht funktioniert:
- Emotion Angst: Die unterschätze Macht
Angst ist die einzige Emotion, die uns vor Eintritt einer Situation ergreift und uns so stark beeinflusst, wie keine andere Emotion. Das Gefühl (Körpergefühl) wie wir und unsere Hunde Angst empfinden (Herzklopfen, Anstieg des Blutdrucks, schnelle Atmung etc.), gepaart mit der Emotion (innere Empfindung) verhindern, eine Situation sachlich zu bewerten. Sicherlich kennst du das von dir: Wer zu emotional ist, kann nicht klar denken. Da rationales und klares Denken im Denkzentrum stattfindet und nicht im Emotionszentrum, konnte Luna demnach nicht lernen, dass Herrchen etwas Gutes für sie bereithält. Das Einzige, was Luna in dieser Situation abspeicherte, waren ihre Emotionen, Gefühle und ihr Handeln (Flucht) in Verbindung mit Herrchen. - Biologisches Ziel wurde nicht berücksichtigt
Luna bezweckt mit ihrem Fluchtverhalten ein Ziel: Die Distanzvergrößerung, d.h. weg von Herrchen. Mit dem Anlocken wird jedoch das Gegenteil erreicht, die Distanzverringerung. Arbeiten wir gegen die eigenen inneren Bedürfnisse, findet eine Unterdrückung statt und das Problem bleibt ungelöst. Luna würde demnach immer an die Flucht denken und nie entspannen können, wenn Herrchen anwesend ist. Um ein Thema aufzulösen, muss das biologische Ziel erfüllt werden. - Extreme Selbstbelohnung bei Fluchtverhalten
Eine schnelle fluchtartige Distanzvergrößerung am Ende einer Situation ist Selbstbelohnend, d.h. Luna lernt, dass Flucht sich mehr lohnt als hingehen. Dieses Gefühl der Erleichterung steht über allem und wird demnach im Körper auch so abgespeichert. Stell dir vor: Du begegnest jemandem, vor dem du dich fürchtest. Nun bietet diese Person dir einen Schokoriegel an, den du dir nur aus seiner Nähe abholen musst. Da du Schokolade liebst, überwindest du dich und gehst ganz vorsichtig und mit Angst zu dieser Person. Den Riegel schnappst du dir und dann wirst du denken: Bloß weg hier! Deine Flucht mit der verbundenen Distanzvergrößerung zu dieser furchteinflößenden Person bringt dir eine große Erleichterung. Was hast du gelernt? Der Schokoriegel ist lecker, aber Angst vor der Person hast du immer noch und bleibst weiterhin auf der Hut. Du assoziierst diese Person mit Angst und Flucht, nicht mit Schokolade. - Unterdrückung des Selbsterhaltungstriebes
Luna würde sich dem Angstauslöser Herrchen niemals allein nähern. Es wird demnach etwas sehr Unnatürliches von ihr verlangt. Etwas, was sie so niemals aus freien Stücken tun würde. Fazit: Lunas Instinkte werden unterdrückt und sie würde lernen Gefahren zu tolerieren. Für das weitere Leben und die eigene Unversehrtheit keine gute Eigenschaft. - Innerer Konflikt führt zum Vertrauensbruch
Luna wird durch das Anlocken in einen großen inneren Konflikt gebracht. Sie will an das Futter, sich aber nicht der Gefahr aussetzen. Sie ist demnach hin und her gerissen und weiß nicht, was sie tun soll. Großer Stress entsteht, der das Lernen verhindert. Sie sieht zudem, dass Herrchen sie in diese Situation bringt und Frauchen schaut auch noch dabei zu. Ein Vertrauensbruch zwischen Luna, Herrchen und Frauen entsteht. - Futter lenkt ab
Das Locken mit Leckerli lenkt vom eigentlichen Lernprozess ab. Es geht doch um Herrchen und nicht um das Leckerli.
Hund Angst vor Menschen abtrainieren: So geht’s
Ich bin kein Verächter von Leckerlis. Es ist nur sehr wichtig, WIE wir diese einsetzen. In Lunas Fall haben wir folgendes gemacht:
- Frauchen hat Luna auf ihren Platz geschickt
- Herrchen hat derweil in der Küche eine Schleckmatte mit Leberwurst und Quark vorbereitet.
- Herrchen ging mit abgewandter Körperhaltung (defensiv) und mit der Schleckmatte zu Luna. Seine Körperhaltung war seitlich auf Luna ausgerichtet (frontale Annäherung wäre für Luna ein Grund zu fliehen), seinen Blick von Luna abgewandt, seine Gedanken klar und lösungsorientiert: „bleib liegen“.
- Er ging ruhig und dennoch flott zu Luna, um das Fluchtverhalten von Luna nicht herauszufordern
- Er legte Luna die Schleckmatte in den Korb und ging sofort wieder weg (durch das Weggehen wurde Lunas biologisches Ziel erreicht: Distanzvergrößerung)
- Während Luna schleckt, hielt Herrchen sich im Raum auf, beachtete Luna jedoch nicht
- Das machte Herrchen 1x täglich. Nach ca. 2 Wochen floh Luna nicht mehr vor Herrchen, denn sie hat gelernt: „Herrchen ist nicht gefährlich. Wenn ich mich ruhig verhalte geht er von allein wieder weg und lässt mir sogar noch etwas leckeres da.“
Der Unterschied führt zum Erfolg:
- Keine Erwartungshaltung seitens Herrchen
Anders als beim Futterwerfen, wollte Herrchen keinen direkten Kontakt zu Luna aufbauen und hat auch nicht erwartet, dass Luna sich ihm annähert. Somit entsteht kein Druck und keine unangenehme Situation. - Biologisches Ziel wurde erreicht
Der Angstauslöser Herrchen ist von allein gegangen, ohne das Luna fliehen musste. Sie hatte demnach die Chance neues Verhalten (sitzen und gucken) zu lernen. Da Hunde von Natur aus Energiesparer sind, brauchte sie nicht mehr fliehen. Gleichzeitig hatte Luna so deutlich weniger Stress und konnte so lernen, Herrchen neu zu „bewerten“. - Weniger Emotionen und Angstgefühle
Da die Kontaktaufnahme von Herrchen sehr passiv war und zudem flott, konnten sich die Emotionen und Angstgefühle nicht verselbstständigen. Somit blieb das Denkzentrum aktiv, um zu lernen: Herrchen ist ungefährlich. - Schlecken wirkt entspannend
Die Schleckmatte half Luna sich zu entspannen und somit im Denkmodus zu bleiben. Würde sie Futterstückchen fressen, ist kein entspannender Effekt vorhanden der sie unterstützen könnte, diese Situation neu zu bewerten.
Durch diese einfache Technik wurde die Tür zwischen Herrchen und Luna geöffnet, um eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen.
Dein Hund fürchtet sich vor Familienmitgliedern oder flüchtet bei Kontaktaufnahme? Ich helfe dir und deinem Hund die Angst zu überwinden. Sende mir jetzt deine Anfrage!