Ab wann Hund kastrieren? – Seevetal

Irgendwann wird jede:r Hundehalter:in mit diesem Thema konfrontiert. Es besteht allgemein viel Unsicherheit und leider gibt es immer noch viele Hundehalter:innen, die bei ihrem Tierarzt ihres Vertrauens nicht über die Aufgaben der Sexualhormone, welche sich auf die körperliche und speziell die Gehirnentwicklung auswirken, aufgeklärt werden. Dies erlebe ich fast täglich in meiner Arbeit mit Hundehalter:innen und ihren Hunden. Mir liegt es somit sehr am Herzen, diese Informationen mit dir zu teilen, sodass du für dich gut informiert eine Entscheidung treffen oder rückwirkend noch offene Fragen beantworten kannst. Ein Pro oder Contra steht hier nicht zur Diskussion.

Hund kastrieren: Auswirkungen auf Körper und Gehirn

Bei der Kastration werden die Gonaden (Hoden oder Eierstöcke) entfernt. Somit ist es dem Körper an dieser Stelle nicht mehr möglich, Sexualhormone wie Testosteron, Östrogen und Progesteron zu produzieren.

Die Sexualhormone werden unter anderem im Körper des Welpen und Junghundes benötigt, um die Geschlechtsreife sowie die emotionale Reife zu erlangen. Dieser Vorgang wird auch die 1. Pubertät (Geschlechtsreife) und 2. Pubertät (emotionale Reife oder auch Adoleszenz) genannt. Die Geschlechtsreife beginnt je nach Individualität zwischen dem 6-10 Monat und macht sich zum Beispiel durch die erste Läufigkeit oder das (mehrfache) Urinieren mit gehobenem Bein bemerkbar. Hierbei sei angemerkt, dass auch Hündinnen markieren können. Die emotionale Reife beginnt mit Ende der Geschlechtsreife und ist mit dem 3-4 Lebensjahr abgeschlossen. Die Sexualhormone stoßen demnach den Prozess des Erwachsenwerdens an. Eine weitere wichtige Aufgabe der Sexualhormone bei Hunden ist die stressdämpfende Wirkung. Testosteron, Östrogen und Progesteron hemmen das Stresshormon Cortisol und mildern somit eine mögliche Stressreaktion ab.

Sexualhormone und die Gehirnentwicklung

Die Sexualhormone sind in der Pubertät wesentlich an den Umbauarbeiten im Gehirn zuständig. Wer kennt diese Fragen nicht: „Warum hört mein Hund plötzlich nicht mehr auf mich?“ oder „Mein Hund ignoriert mich“. Verantwortlich ist dafür ein programmierter Zelltod, welchen du dir im Gehirn des Hundes wie einen Frühjahresputz vorstellen kannst. Alle Nervenzellverbindungen, welche nicht gebraucht werden, werden ersetzt. Auch die Isolierung der Nervenzellverbindungen wird verbessert, welche eine schnellere Reizübertragung und Weiterleitung gewährleisteten. Ohne Sexualhormone ist die volle Ausreifung und Entwicklung des Gehirns, welche in 3 Phasen stattfindet, nicht möglich.

  1. Veränderung im Emotionszentrum
    In der ersten Phase unterstützen die Sexualhormone das Emotionszentrum damit zu reifen. Dies erklärt, wieso Hunde in der Pubertät sehr emotional sind und auch in ihrem Verhalten starke Schwankungen zeigen können. Heute sieht der Hund in jeder Begegnung Konfliktpotential und stellt sich dieser, wohingegen er morgen lieber das Weite sucht. Das Emotionszentrum reift im ersten Schritt schneller als das Denkzentrum.
  2. Dopaminausschüttung und extreme Glücksgefühle
    Das Emotionszentrum ist nun schon gut gereift und reagiert stark auf Erlebnisse, die mit Risiken und Belohnungen in Verbindung stehen, denn dadurch wird Dopamin ausgeschüttet, ein Hormon, welches Glücksgefühle und Euphorie auslöst. Da das ausgeschüttete Dopamin wegen noch zu wenig verfügbaren Empfängern nicht vollkommen aufgenommen werden kann, benötigt der Hund besonders viele und stärkere Auslöser, um das Emotionszentrum zufrieden zu stellen. Das riskante Verhalten unserer Hunde in dieser Phase hat also eine hormonelle Ursache und ist wichtig für die Umbauarbeiten des Gehirns.
  3. Letzten Umbauten im Denkzentrum
    In der letzten Phase tragen die Sexualhormone dazu bei, dass das Denkzentrum ausreifen kann und somit ein eigener Wille, klares und rationales Denken sowie eine Impulskontrolle erreicht wird. Mit Beendigung dieser Phase wirkt unser Hund souveräner und ist nicht mehr so emotional, wie in den Phasen zuvor. Situationen, die vorher ein Thema waren, wie z.B. Hundebegegnungen, werden nun erwachsen gemeistert. Die emotionale Reife ist somit abgeschlossen. Eine Kastration vor Ende der emotionalen Reife wird daher auch Frühkastration genannt. Zum Vergleich: Menschen erreichen die emotionale Reife erst Mitte bis Ende 20.

Des Weiteren sind die Sexualhormone wichtig für die Beendigung des Wachstums der Röhrenknochen, für die Schließung der Wachstumsfuge (Epiphyse) und die Verstärkung von Sehnen, Bänder und Muskulatur, welche für die Koordination zuständig sind.

Kastrationschip für Hunde

Zum Testen wäre ein Kastrationschip für Hunde sinnvoll, wobei hier nicht zu 100% zuverlässig gesagt werden kann, ob das resultierende Verhalten auch nach einer richtigen Kastration ohne Chip gleich ist. Auch wird nicht jedes Verhalten nach einer Kastration besser. Ein Hund der unsicher oder ängstlich ist, wird dieses Verhalten nach einer Kastration vermehrt oder intensiver zeigen, da die Sexualhormone nun nicht mehr als Stressdämpfer wirken können (auch bei einem Kastrationschip für Hunde). Auch Verhalten, welches auf Verteidigung, Bewachen oder Beschützen des Partners oder des Grundstückes (Territoriale Verteidigung) zurückzuführen ist, wird durch eine Kastration nicht beeinflusst und kann sich sogar verschlechtern. Das liegt daran, dass dieses Verhalten nicht von den Sexualhormonen (Ursprung aus den Gonaden) gesteuert wird. Sollte also eine Kastration aufgrund von störendem Verhalten eine Option sein, dann ist es im ersten Schritt wichtig, dass „Warum macht mein Hund das?“ herauszufinden, die entsprechenden Hormone und dessen Ursprung zuzuordnen und dann abzuwägen, ob eine Kastration sinnvoll wäre oder nicht. Bei einigen Verhaltensweisen kann eine Erleichterung für Hund und Halter:innen entstehen.

Ab wann Hund kastrieren?

Unsere Hunde benötigen (wenn möglich) bis Ende seiner Pubertät die Sexualhormone

  • Für die körperliche Entwicklung
  • Für die Gehirnentwicklung (raus aus der Emotion, rein ins klare Denken und die Impulskontrolle)
  • Als natürlichen Stressdämpfer

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