Im Wartezimmer beim Tierarzt geht es deinem Hund gar nicht gut. Dein Hund zittert am ganzen Körper, seine Augen sind weit aufgerissen und seine Atmung schnell. Vielleicht hechelt er und gähnt viel. Dein Hund ist sehr angespannt, gestresst und hat sogar Angst. Gerade jetzt solltest du deinen Hund unterstützen, denn auch wenn du kein Medical Training für Hunde gemacht hast, du kannst ihm helfen sich zu entspannen.
Ich möchte dir 11 Tipps an die Hand geben, wie du deinem Hund in solch einer akuten Situation deine soziale Unterstützung anbietest und ihm damit suggerierst „Ich bin für dich da“. Vielleicht kannst du deinem Hund nicht die Angst nehmen, jedoch gilt hier das Sprichwort: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“. Auch solltest du wissen: Bist du für deinen Hund vor allem in schwierigen, gefährlichen oder ängstlichen Situationen verfügbar und unterstützt ihn, so stärkt dies eure Bindung und euer Vertrauen deutlich mehr als in schönen Momenten.
Hund beruhigen: 11 Tipps für den Tierarztbesuch
- Halten statt streicheln
Allein das Handauflegen tut unseren Vierbeinern sehr gut, denn er spürt deine körperliche Nähe und Wärme. Dabei wird das stressdämpfende Hormon Oxytocin ausgeschüttet und hilft deinem Hund sich zu regulieren. Auch „grenzt“ es deinen Hund etwas ein, was von vielen Hunden wiederum als sehr angenehm empfunden wird. Mit dem Druck darfst du dich ausprobieren. Einige Hunde mögen leichten Druck, andere hingegen etwas intensiver (wie beim Pucken von Kindern. Die einen mögen es, die anderen nicht). Zudem ist das Halten oft viel angenehmer, als gestreichelt zu werden. Überleg mal, wie es dir in solch einer Situation gehen würde. Möchtest du gestreichelt werden oder ist dir das Händchen halten angenehmer? Schau bitte hier individuell auf deinen Hund und probiere dich aus. - Sag deinem Hund, was er tun soll
Dein Hund wird dir dankbar sein, wenn du ihm sagst, was er tun soll. Er ist schon so mit seinen Emotionen und körperlichen Reaktionen beschäftigt, dass er gar nicht weiß, was er stattdessen tun soll. Beispiel: Nala lag in ihrem visuellen Schutzraum, die Hände waren auflegt, doch ihr fehlte noch etwas, um sich ganz zu beruhigen. Sie folgte stattdessen ihrem Verlangen ihre Pfoten zu benagen (ihre Art der Stressbewältigung, was jedoch in exzessives benagen und somit noch mehr Stress übergeht). Das unterband ich, indem ich „nein“ sagte UND das lockere Signal „leg dich ab“. Das klingt paradox, denn sie lag ja schon. Durch das „Leg dich ab“ erinnerte ich sie nochmal daran, dass sie etwas anderes tun sollte, statt sich zu benagen, nämlich hinlegen und zur Ruhe kommen. Es dauerte nicht lang und sie legte ihren Kopf an. Sie kam so äußerlich mehr zur Ruhe, was wiederum die innerliche Anspannung milderte. - Blickkontakt pflegen
Beobachte einmal, wie oft dein Hund dich im Wartezimmer flüchtig oder auch direkt anschaut. Tut er dies ist es wichtig, dass du ihn ebenfalls anschaust. Damit sagst du ihm „Ich sehe dich und ich bin für dich da.“ Es ist wie eine Rückversicherung für deinen Hund, ob du noch anwesend bist und ihn unterstützt. Zudem wird auch beim Blickkontakt das stressdämpfende Hormon Oxytocin ausgeschüttet. - Lockere Leine
Achte darauf, dass die Leine immer locker ist. Ist die Leine gespannt, so verspürt dein Hund Druck, der sich negativ auf die bereits angespannte emotionale Lage deines Hundes auswirkt. - Spucke geben
Aus Hundesicht erweist du deinem Hund damit den größten Liebesbeweis. Hunde untereinander, die sich emotional sehr verbunden sind, belecken sich das Maul oder lecken es sogar aus. Ähnlich wie bei uns Menschen, wir küssen ja auch nicht jeden. Ein Grund, warum unsere Hunde immer unser Gesicht und vorzugsweise unseren Mund beschlabbern wollen. Da ich und vielleicht auch du die Hundezunge nicht so gerne im Mund haben wollen, kannst du einfach in deine Hand spucken und dein Hund es ablecken lassen. Ich gebe zu, ein eher unkonventioneller Tipp, für Nala und mich jedoch fast ein tägliches Ritual. (Wenn dein Hund das nicht kennt, wird er zu Beginn etwas skeptisch sein. Bleib einfach dran.) - Ohren ausstreichen (TTouch Methode)
Vor allem im Notfall und bei Schockzuständen hilft das Ausstreichen der Ohren dabei, die Atmung und den Kreislauf zu stabilisieren. Dabei nimmst du das Ohr zwischen Daumen und Zeigefinger und beginnst von der Ohrwurzel an mit nur minimalem Druck bis hin zur Ohrenspitze auszustreichen. Hat dein Hund Schlappohren, so streiche nach vorne Richtung Schnauze oder zur Seite aus, statt nach hinten. Somit beeinflusst du nicht nur den Kreislauf, sondern auch das Körpergedächtnis (s. Punkt 7). - Rute und Ohrenstellung verändern
Hunde zeigen ihre Emotionen und Gefühle über ihre Körpersprache, das Ausdrucksverhalten. Vor allem die Ohren und die Rute sagen sehr viel aus und genau diese Körperteile kannst du in der Stellung verändern, um auch die Emotion deines Hundes zu verändern. Legt dein Hund die Ohren an (d.h. die Ohrwurzel ist nach hinten unten gedreht), so streichst du die Ohren nach vorne aus, also in die entgegengesetzte Richtung. Nach vorne gerichtete Ohren bedeuten Neugierde und Aufmerksamkeit. Auch die Rute kannst du in die Hand nehmen und ausstreichen, sodass sich der Rutenansatz vom Po löst. Dieser ist bei Stress und Angst oft angedrückt. Das Körpergedächtnis gibt somit die Informationen „Neugierde, Aufmerksamkeit oder auch emotionale Neutralität“ weiter an das Gehirn, welches wiederum Prozesse in Gange setzt, um dieser Emotion und Gefühlslage nachzukommen, z.B. Atmung und Herzschlag regulieren, etc. - Will dein Hund gerade Hundekontakt?
So viele Hunde werden aus gesellschaftlicher Höflichkeit in den Konflikt geschickt oder auch allein gelassen. Die meisten Hunde haben Schmerzen, ihnen geht es nicht gut und dann will der kleine Mops auf dem Nachbarsstuhl auch noch „hallo“ sagen. Bitte übernimm hier Verantwortung und lass die anderen Hunde nicht an deinen Hund heran. Blockier den anderen Hund und zieh deinen Hund nicht einfach weg. Eine gespannte Leine erzeugt Druck und Druck begünstigt die Angst und den Stress. Auch wenn die Nachbarsfrau nett fragt, dein Hund steht an erster Stelle und ein freundliches „Nein danke“ zeigt ebenfalls Wirkung. - Aromaöle oder Hydrolate mit angstlösender Wirkung
Auch die psychische Wirkung von ätherischen Ölen und Hydrolaten ist nicht zu unterschätzen und können deinen Hund beim Tierarzt unterstützen. Besonders das ätherische Öl Neroli (Citrus aurantium var. Amara) ist für stressige Ereignisse wie Tierarztbesuche geeignet. Hier findest du die Beiträge: Hydrolate und ätherische Öle für ängstliche Hunde. - Eigene Atmung regulieren (Stimmungsübertragung)
„Selber ruhig bleiben“ ist schnell gesagt, jedoch sehr schwer umzusetzen. So banal es jetzt auch klingt, jedoch hilft das richtige Atmen dir weiter. Atme ein und zähle bis 4, halte den Atem für 2 Sekunden an und atme dann etwas länger aus. Nach 10x wirst du merken, wie du dich innerlich beruhigst. Nur so kannst du deine eigene Stimmung etwas regulieren, denn dein Hund merkt deine Anspannung. Atme und bewahre Ruhe: Wenn beide förmlich „durchdrehen“ ist das immer eine schlechte Kombi. - Visueller Schutzraum
Leg oder setz deinen Hund so ab, dass er hinter oder zwischen deinen Beinen liegt. Manchmal sind die Hunde so gestresst, dass sie nicht mehr wissen, was du von ihm möchtest. Dann darfst du ihn in die entsprechende Position „schieben“. Kleinere Hunde springen auch gerne auf den Schoß und das ist auch in Ordnung, denn dein Hund zeigt hier Bindungsverhalten. (Was das genau ist, kannst du hier nachlesen). Durch diesen Schutzraum bist du visuell sehr präsent und kannst deinen Hund dabei halten.
Du siehst, du kannst so viel für deinen Hund tun, damit er den Tierarztbesuch gut übersteht.
Dieser Beitrag hat mich inspiriert, als ich mit meiner Nala vor kurzem wegen zwei Operationen (eine geplant und eine ungeplant) im Wartezimmer saß. Sie brauchte das erste Mal Unterstützung und dabei fiel mir auf, wie viele Hunde in solch einer Situation allein gelassen werden. Viele Halter:innen sitzen auf ihren Stühlen und schauen auf ihre Handys, als ob sie an der Kasse warten. Doch unsere Hunde haben Angst, sind gestresst und brauchen vor allem in diesen Situationen unsere Unterstützung. Es sind nicht die schönen Momente, die zeigen, auf wen Verlass ist, wer Verantwortung übernimmt und wer den Halt gibt, sondern die die unschön sind, Angst und Stress verursachen. Sei für deinen Hund da, denn er braucht deine soziale Unterstützung.
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